Saugverwirrung – Mythos oder Realität?
- Nicole Schmidt
- 19. Dez. 2016
- 6 Min. Lesezeit
Was ist eigentlich eine Saugverwirrung? Gibt es sie wirklich? Was kann man dagegen tun? Als das erfahrt ihr hier…
Ein ganz großer Mythos rankt sich um die berüchtigte Saugverwirrung. Viele Mütter streiten deren Existenz ab, da sie selbst davon nicht betroffen waren und ihre Variante der Zwiemilch super funktionierte. Fakt ist aber, das sie real ist, aber nicht immer und nicht bei jedem gleichstark auftritt. Daher ist es zwar für die Familien, wo die Zwiemilch ohne Probleme klappte, schön und toll aber man kann nicht pauschalisieren das es bei anderen auch so problemlos abläuft.
Doch worin besteht eigentlich die Gefahr eine Saugverwirrung?
Eine Saugverwirrung tritt häufig in den ersten Wochen nach der Geburt, durch die Verwendung von künstlichen Saugern auf, bevor sich die Stillbeziehung gefestigt hat. Dies trifft auf alle Fälle für die Zeit des Wochenbettes zu, denn da ist die Gefahr am größten. Doch auch zu jedem anderen Zeitpunkt der Stillbeziehung kann eine Saugverwirrung auftreten, das Risiko sinkt zwar mit zunehmendem Alter des Kindes und Beständigkeit der Stillbeziehung aber einen Garant gibt es nicht. Mit künstlichen Saugern sind Flaschen, Nuckel und auch Brusthütchen gemeint. All diese Dinge können zu einer Saugverwirrung führen, müssen aber nicht.
Gefahr von Flaschen:
Aus einer Flasche kommt die Milch viel einfacher raus, das Baby muss sich kaum anstrengen um an die Milch zu kommen. Zudem ist die Technik eine ganz andere als das trinken aus der Brust. Bei einer Flasche reicht es aus wenn gesaugt wird und die Milch läuft dann wie von alleine. Bei der Brust muss zunächst richtig angedockt werden damit genügend Brust im Mund landet und genügend Milch daraus gewonnen werden kann, dann muss der Milchspenderreflex ausgelöst werden und dann muss durch massierende Bewegungen von Zunge und Gaumen die Milch aus der Brust gemolken werden. Das sind viele komplexe Abläufe die man erstmal beherrschen muss. Da ist es kein Wunder das Babys, die in Berührung mit der Flaschenfütterung kamen, diese gänzlich bevorzugen anstatt das anstrengende Prozedere an der Brust zu durchlaufen bevor man satt ist. Viele Firmen werben mit brustähnlichen Saugern, doch Fakt ist, diese gibt es nicht. Kein künstlicher Sauger der Welt, mag die Firma auch noch so überzeugt davon sein, kommt an die weibliche Brustwarze ran. Jede Brustwarze ist einmalig und euer Baby ist genau dafür gemacht aus eurer Brustwarze zu trinken. Bevor ihr also, bei der Indikation zum zufüttern, zu einer Flasche greift holt euch lieber fachlichen Beistand und besprecht stillfreundlichen Alternativen. Denn die Gefahr das ihr durch Einsatz der Flasche abstillt ist leider sehr groß, das kann von heute auf morgen sein aber auch ein schleichender Prozess. Faktisch ist die Wahrscheinlichkeit größer das die Stillzeit bei einer Kombination aus Brust und Flasche schneller vorbei sein wird als bei Kindern die nur gestillt werden.
Gefahr von Nuckeln:
Auch beim Schnuller kann es passieren dass das Kind nicht mehr weiß wie es die Brust leeren kann. Der Nuckel ist ein Brustersatz und nicht die Brust ein Nuckelersatz. Kinder und vor allem Säuglinge haben ein großes Saugbedürfnis, für sie ist das Saugen an der Brust nicht nur für Nahrungsaufnahme, sondern es vermittelt das Gefühl von Nähe und Geborgenheit, sie Stillen damit ihr Gefühl nach Zugehörigkeit und Verbundenheit und bauen so Stress ab, verarbeiten den Tag und das erlebte und suchen Trost. Manche Babys brauchen das mehr, manche weniger.
Problem beim Nuckel, gerade in den ersten Lebensmonaten ist, das er dazu führen kann dass das Kind nicht genügend Eigenbedarf anmelden kann um auf genügend Stillmahlzeiten zu kommen. Die Stillmahlzeiten werden ungewollt reduziert und die Milchproduktion nicht optimal angekurbelt – folglich wird das Kind nicht satt und häufig entsteht so ein Teufelskreis aus zufüttern, Stress und Verzweiflung bis hin zum Abstillen und kompletten Ersatz der Muttermilch durch Formula.Weiter zu bedenken ist auch, dass das Kind durch die reduzierte Aufnahme an Muttermilch nicht ausreichend zunimmt und immer weiter auf der Perzentile abrutscht, das kann, gerade bei den ganz Kleinen, sehr schnell gefährlich werden. Daher ist eine der ersten Fragen einer Stillberaterin, wenn die Frau über Probleme bei der Zunahme oder über eine geringe Milchmenge berichtet, immer die Frage ob das Kind einen Nuckel hat. Oftmals genügt das weg lassen des Nuckels mit einem verbesserten Stillmanagement aus um wieder zum vollstillen ohne Probleme zu gelangen. Diese Gefahr besteht vor allem im Wochenbett. Wenn die Zunahme stetig ist und die Stillbeziehung sich gefestigt hat, sollte man das Für und Wieder des Nuckels abwiegen und sich, für sich selbst, entscheiden ob man einen Nuckel geben möchte oder nicht. Man sollte aber immer daran denken, mag ein Nuckel auch noch so verlockend sein, gerade als Tröster oder Einschlafhilfe, irgendwann wird man vielleicht an einen Punkt gelangen das man ihn wieder abgewöhnen muss, gerade wenn die Zähnchen darunter leiden und das kann schwer werden.
Gefahr von Brusthütchen
Auch die Brusthütchen fallen unter die Kategorie der künstlichen Sauger, auch wenn sie eher ein Hilfsmittel sind, können auch sie die Stillbeziehung nachhaltig stören. Hier ist vor allem die Gefahr gegeben das die Milchproduktion nicht optimal angeregt wird. Beim Stillen mit Hütchen herrscht kein Hautkontakt zwischen Kind und Brust, das hemmt die Ausschüttung des Hormons Prolaktin, dieses ist aber Hauptakteuer für die Milchbildung. Das kann dazu führen das die Mutter zu wenig Milch bildet und das Kind im schlimmsten Fall zugefüttert werden muss. Dazu kommt das bei der Verwendung von Stillhütchen gewisse Hygieneregeln zu beachten sind, dies kann auf Dauer sehr umständlich und frustrierend für die Mutter sein. Zumal auch hier die Technik des Stillens eine andere ist als direkt aus der Brust. Die Brusthütchen sind ein Hilfsmittel, welches nur bei nötiger Indikation benutzt werden sollten. Leider wird von Seitens des Krankenhauses oft dazu geraten, obwohl eine Indikation nicht vorliegt. Wenn ihr euch unsicher seid, dann kontaktiert vorher erst eine Stillberaterin, die meisten Krankenhäuser arbeiten auch mit Stillberaterinnen zusammen, lasst euch fachkundig beraten, denn diese wieder loszuwerden wird schwierig und ist ein langer Prozess der ggf. durch eine kompetente Beratung gar nicht notwendig gewesen wäre.
Wie erkenne ich eine Saugverwirrung?
Oftmals sind die Anzeichen sehr eindeutig. Die Kinder verweigern, entweder urplötzlich oder schleichend die Brust. Sie docken an, stillen kurz und lassen dann die Brust los, meist wird dann die Brust angeschrien oder wild mit dem Kopf geschüttelt. Teilweise wird gar nicht mehr an der Brust gesaugt. Oftmals kommt es auch vor, dass Kinder sich durch den häufigen Einsatz der künstlichen Sauger eine falsche Technik aneignen und die Mutter oft unter wunden Brustwarzen leidet obwohl das Kind vermeintlich richtig angelegt ist. Auch wenn zu erkennen ist, das die Milchmenge zurück geht oder das Kind nicht oder nur schlecht zunimmt ist zu schauen ob ein künstlicher Sauger dafür verantwortlich sein kann. Im schlimmsten Fall ist das Kind so verwirrt das es weder aus der Brust noch aus der Flasche trinkt da es weder die eine noch die andere Technik mehr kann. Das ist der schlimmste Fall, der schnell gefährlich werden kann. Es gibt durchaus Kinder bei denen zunächst keine Probleme beim Einsatz von künstlichen Saugern zu beobachten sind, sondern die eine Saugverwirrung erst später entwickeln, für andere Kinder reicht schon der Einsatz einer einzigen Flasche aus um eine solche Verwirrung hervorzurufen. Diese wieder zu beheben kann sehr schwierig sein und erfordert ein enormes Durchhaltevermögen.
Wie kann ich eine Saugverwirrung verhindern oder beheben?
Um gar nicht erst in diese Lage zu kommen sollte auf jegliche Art der künstlichen Sauger verzichtet werden. Ist es notwendig das zugefüttert wird sollte auf stillfreundliche Methoden (Becher, Spritze, Löffel, BES) zurückgegriffen werden, dies sollte auch schon im Krankenhaus mitgeteilt werden, sucht euch hierzu kompetente Unterstützung die euch zeigt wie man stillfreundlich zufüttert. Auf einen Schnuller sollte, zumindest in den ersten 8 Lebenswochen, komplett verzichtet werden und auch danach sollte man sich gut überlegen ob und wann er zum Einsatz kommen soll. Bei Brusthütchen sollte vor Anwendung sichergestellt werden das eine nötige Indikation vorliegt, ansonsten sollten diese nicht verwendet werden. Ist es dennoch nötig mit Ihnen zu stillen sollte nach Behebung der Stillprobleme sofort damit begonnen werden diese Schritt für Schritt wieder zu entwöhnen damit ohne gestillt werden kann (Siehe Blogeintrag zum Brusthütchen)
Mein Fazit:
Mag sein das einige Frauen von einer Saugverwirrung verschont geblieben sind oder an deren Existenz zweifeln, aber sie lässt sich nicht abstreiten. Ob und wie stark euer Kind betroffen sein würde kann man vorher nicht sagen, daher solltet ihr gut abwägen ob und wie ihr künstliche Sauger einsetzt und ob ihr mit den daraus resultierenden Konsequenzen leben könnt. Denn aus dieser Falle wieder herauszukommen ist verdammt schwer und ein hartes Stück Arbeit.
Liebe Grüße eure
Winterkind-Mama
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