Wenn die Milch nicht reicht – Erkennungsmerkmale und Tipps zur Milchsteigerung
- Nicole Schmidt
- 6. Jan. 2017
- 7 Min. Lesezeit
Das Baby schreit, will ständig an die Brust und wird gefühlt nicht satt? Ganz klar, die Milch reicht nicht, also füttere zu. Aber ist es wirklich so, dass die Milch nicht reicht? Könnte es vielleicht andere Gründe haben? Wie erkennt man eigentlich dass die Milch nicht reicht?
Erkennt ihr euch wieder? Dann wird dieser Blogeintrag sehr hilfreich für euch sein.
Der erste Satz denn man als stillende Mutter zu hören bekommt, wenn das Baby häufiger als „normal“ (was ist heutzutage noch normal?) an die Brust will, ist das die Milch nicht reicht und das Kind quasi schon kurz vorm Hungertod steht. Doch in den wenigsten Fällen liegt wirklich eine gestörte Milchproduktion vor. Zunächst zeige ich euch mögliche Ursachen auf, warum das Kind vermeintlich „nicht satt wird“:
Schub:
Ganz häufig steckt ein Schub hinter plötzlich gesteigerten Stillverhalten. Wann welcher Schub ansteht seht ihr hier: http://www.hallo-eltern.de/m_baby/wachstumsschub1.htm
Während eines Schubes wächst der Kalorienbedarf des Kindes, aufgrund von Wachstum und neu entwickelten Fähigkeiten die mehr Kraft benötigen (z.B. drehen, krabbeln, laufen, etc.). Da das Stillen ein Prozess von Angebot und Nachfrage ist, bestellen die Kinder während dieser Schübe mehr Milch, um ihren erhöhten Bedarf zu decken. Da die Brust aber ein träges Organ ist und ein paar Tage braucht um auf die Nachfrage, mit mehr Milch zu reagieren, kann es tatsächlich passieren, dass die Kinder kurzzeitig an der Brust nicht satt werden. Das ist allerdings keine Indikation um mit dem zufüttern zu beginnen. Während dieser Phase ist es ratsam einfach weiterhin nach Bedarf zu stillen. Die Kinder nehmen in dieser Zeit einfach häufiger kleine Mahlzeiten zu sich und kommen somit auf dir selbe Menge Muttermilch, sie brauchen dafür schlicht und einfach etwas länger und ein paar zusätzliche Stillmahlzeiten. Nach ein paar Tagen hat sich die Milchproduktion angepasst und die Stillmahlzeiten passen sich langsam wieder ihren ursprünglichen Rhythmus an.
Clusterfeeding:
Häufig beobachtet man das Clustern bei Neugeborenen, aber auch bei größeren Stillkindern kann es vereinzelt nochmal zu Clusterphasen kommen. Beim Clustern melden die Kleinen sich zu einer bestimmten Tageszeit (meist in den späten Nachmittags- oder Abendstunden) besonders häufig, so dass man gefühlt nur noch mit Stillen beschäftigt ist. Auch beim Clustern melden die Kinder so ihren Bedarf für den nächsten Tag an, durch das ständige Stillen und stimulieren der Brust schüttet der Körper vermehrt Prolaktin und Oxytocin aus und regt damit die Milchproduktion an. Zudem ist Clustern Geborgenheit. Das Stillen mehr als nur Nahrungsaufnahme ist, ist mittlerweile ja bekannt. Durch das Dauerstillen verarbeiten die Kinder ihren Tag und befriedigen ihr Bedürfnis nach Nähe und Geborgenheit. Auch hier gibt das Clustern keinen Anlass zum zufüttern, einfach weiterhin nach Bedarf stillen, auch wenn diese Phase besonders anstrengend ist, denn das Clustern wird häufig mit Unruhe und Schreien begleitet.
Zahnen:
Beim Zahnen ist es ganz typisch dass die Kinder die Brust richtig ansaugen, kurz trinken und dann wieder loslassen und schreien. Häufig kommt hier der Gedanke auf, das keine oder zu wenig Milch kommt und die Kinder deswegen die Brust loslassen und anfangen zu schreien. Doch der eigentliche Grund sind hier die Zähne, das Stillen ist Ihnen unangenehm, der Mund schmerzt, der Hunger ist groß – eine Zwickmühle die mit Schreien kommentiert wird. Viel Hilfe gibt es da leider nicht. Wichtig ist Ruhe zu bewahren und den Kindern das Zahnen so angenehm wie möglich zu gestalten (Zahnungsöl, Zahnungsgel, Homöopathie und Beißringe können helfen). Manche Kinder mögen beim zahnen bestimmte Positionen nicht, am besten man probiert einige verschiedene aus und schaut wo es dem Kind gerade am angenehmsten ist. Manche mögen beim Zahnen lieber Wärme im Mund, manche lieber Kälte. Wenn das Kind komplett die Brust verweigern sollte, kann man probieren etwas Milch auszustreichen und stillfreundlich bei Zimmertemperatur zu füttern oder vor der Stillmahlzeit etwas kühles zum Kauen zu geben, damit die Zahnleisten durch die Kälte etwas betäubt sind.
Brustanschreiphase
Ganz häufig tritt diese zwischen dem 4. bis 6. Monat auf. Auch hier ist nicht die Milch zu wenig, sondern das Interesse liegt einfach gerade bei anderen Dingen. Hier wird angedockt, gezappelt, abgedockt, rumgeguckt, gegrinst, gebissen und wieder ein Schluck getrunken. Das kann einen wahnsinnig machen. Hier hilft es eine möglichst reizarme Umgebung zu schaffen um den Kind keine Gelegenheit der Ablenkung zu geben. Für Zappelkinder haben sich Kuscheltiere, Softbälle oder Stillketten bewährt, da sind die kleinen Hände beschäftigt und fummeln nicht noch zusätzlich an der Brust mit rum. Nach dem 6. Monat sollte man auch vermehrt auf die Beikostreifezeichen achten, um die Bedürfnisse des Kindes zu befriedigen kann nebenbei langsam mit Brei oder BLW begonnen werden. Gerade BLW macht Spaß und „powert aus“, eine anschließende Stillmahlzeit kann dadurch ruhiger verlaufen.
Krankheit:
Gerade bei Krankheit kommen die Kinder wieder häufiger an die Brust, denn die Brust bietet Trost und Schutz, nicht nur in Form von Abwehrkräften die durch die Muttermilch in das Kind gelangen, sondern auch durch die körperliche Nähe. Vorallem wenn ein grippaler Infekt, mit Schnupfen, dahinter steckt, ist das Trinken erschwert und die Kinder bevorzugen lieber kleinere Stillmahlzeiten und melden sich dafür häufiger. Auch bei Fieber und Schwäche, wenn die Kinder wenig Kraft für lange Stillmahlzeiten haben wird lieber öfters mit kleinen Mengen gestillt.
Anpassung des Stillrhythmus
Ganz oft bekomme ich Anfragen von besorgten Mamis die sich wundern warum das Kind sich nur noch alle 3-4 Stunden meldet, wo es doch sonst stündlich kam oder warum das Kind nur noch 5 Minuten stillt und nicht wie üblich 20 Minuten. Die meisten Mamas kann ich beruhigen J Stillen braucht Übung und wie bei jedem erlernten Prozess mach Übung den Meister. Zu Beginn der Stillbeziehung brauchen die Mahlzeiten lange, die Kinder schlafen häufig ein, brauchen lange ehe sie die Milch richtig zum fließen gebracht haben, die Produktion hinkt noch hinterher, usw. Doch irgendwann, wenn das Mama-Baby-Gespann eingespielt ist und das Stillen nur noch nebenbei läuft beobachtet man meist eine Veränderung, die Kinder stillen einfach effektiver, jeder Handgriff sitzt und ruckzuck braucht man nur noch 5 Minuten um das Kind zufrieden zu stellen J
Das ist kein Grund zur Besorgnis, sondern ein Grund zur Freude, denn aus euch ist ein spitzen Stillteam geworden, das weiß wie der Hase läuft ;-)
Wenn das Kind weiterhin prächtig gedeiht, genügend nasse Windeln hat und sonst rundum zufrieden ist, kann man davon ausgehen das die Milch ausreichend ist J
Doch woran merkt man eigentlich dass die Milch reicht?
Wenn das Kind gedeiht ist das ein sehr gutes Zeichen das genügend Milch vorhanden ist und ausreichend oft nach Bedarf gestillt wird. Von einem guten gedeihen spricht man wenn das Kind Perzentilenparallel zunimmt. Dabei ist es egal ob das Kind auf der 3., 50. oder 95. Perzentile liegt, wichtig ist, das es diese nicht nach unten verlässt (normale Abnahme nach der Geburt ausgeschlossen) und das es nicht in eine Flatline (Kinder nehmen zwar zu, aber für ihre Größe/Alter zu wenig und es entsteht eine flache Kurve die mehrere Perzentilen kreuzt) fällt. Dies hat aber in der Regel die Hebamme oder der Kinderarzt im Blick.
Zunahme von Stillkindern:
0 - 2 Mo 170 - 330 g/Wo
> 2-4 Mo 110-330 g/Wo
> 4-6 Mo 70-140 g/Wo
> 6-12 Mo 40-110 g/Wo
Das Kind hat genügend nasse Windeln pro Tag (ca. 5-6 Einwegwindeln pro Tag)
Das Kind hat rosige haut, ist aufgeweckt und aktiv
Woran erkennt man dass die Milch nicht reicht?
Das lässt sich nicht ganz pauschalisieren. Es ist immer ratsam bei dem Verdacht auf eine gestörte Milchproduktion eine Fachkraft zu konsultieren (am besten IBCLC oder ehrenamtliche Stillberatung der AFS oder LLL).
Kinder nehmen schlecht oder gar nicht zu
häufiges Schreien, Unruhe, ständig Unzufrieden
blasse, eingefallene Haut
keine Anzeichen für Milchtransfer (kein MSR, kein schlucken und trinken, keine Milch sichtbar)
zu wenig Ausscheidungen
ACHTUNG ALARM: eingefallene Fontanelle, Haut bleibt in Falten stehen, Kind schläfrig und lethargisch – reagiert kaum noch – SOFORT ins Krankenhaus!!!
Wie kann ich die Milchproduktion steigern?
Bevor man zur Flasche greift und zufüttert sollte man sich zu allererst Hilfe holen. Eine Stillberaterin kann beurteilen ob das Problem durch eine Anpassung des Stillmanagement behoben werden kann oder ob es in einer akuten Situation wirklich notwendig ist mit Ersatzmilch zuzufüttern. Eine Stillberaterin unterstützt euch dabei und zeigt euch wie man dies stillfreundlich gestalten kann.
Zunächst sollte geprüft werden welche Gründe es hat das die Milch zu wenig ist.
Liegen Erkrankungen vor die die Milchproduktion hemmen (Schilddrüse, Brustoperationen, Plazentarest, Diabetes, Anämie, etc.)?
Liegt eine Saugverwirrung vor bzw. sind künstliche Sauger im Einsatz die das Stillen nach Bedarf erschweren?
Liegen Besonderheiten beim Kind vor (Gelbsucht, Frühchen, Trinkschwäche, kurzes Zungenbändchen, etc.)?
Ist die Milchproduktion durch äußerliche Faktoren gestört (Vorgegebener Stillrhythmus, Stress, Übermüdung).
Dann sollte das Stillmanagement angepasst werden
in den ersten Wochen sollte eine Stillfrequenz von 8-12 Stillmahlzeiten in 24 Stunden erreicht werden
Oftmals ist das Wechselstillen sehr erfolgreich um die Milchproduktion zu erhöhen, dabei werden beide Seiten im Wechseln angeboten, immer wenn das Kind aufhört aktiv zu trinken wird die Seite gewechselt, solange bis das Kind satt ist.
Zudem sollte auf jegliche Art von künstlichen Saugern verzichtet werden, damit die Kinder ihren Hungern nicht weg Schnullern.
Clusterfeeding sollte zugelassen werden.
In der Nacht sollten 2 Stillmahlzeiten erfolgen (Nachts ist das Prolaktin, welches für die Milchbildung zuständig ist, erhöht)
es sollte ausreichend (aber nicht über den Durst) getrunken werden
auch eine ausgewogene Ernährung (ohne Ausschluss von Lebensmitteln auf Verdacht)
Stilltee mit Bockshornklee kann die Milchbildung unterstützen (nicht mehr wie 3 Tassen über den Tag verteilt
aktivierter Bockshornklee in Kapselform regt die Milchbildung an (Dosierung und Notwendigkeit mit Fachkraft vor Ort abklären- NICHT auf eigene Faust und ohne Indikation einnehmen, Bockshornklee kann Allergien hervorrufen und bei Überdosierung die Milchbildung hemmen anstatt zu steigern.
zusätzlich kann nach den Stillmahlzeiten gepumpt werden (ob und wie oft dies nötig ist mit Fachkraft besprechen)
Welche Maßnahmen sinnvoll sind und in welchem Ausmaßen diese zur Anwendung kommen sollten, sollte immer mit einer Fachkraft besprochen werden. Zuviel des Guten kann das genaue Gegenteil bewirken und die Milch geht trotz sämtlichen Bemühungen zurück. Daher der Rat an euch: Bei Verdacht auf zu wenig Milch IMMER eine Fachkraft kontaktieren. Oftmals reicht bei kleineren Problemen eine telefonische Beratung oder Beratung per Mail.
Liebe Grüße eure
Winterkind-Mama
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